Balz beim Stichling: Schlüsselreize

Veränderte Versuchsbedingungen geben Aufschluss über Bedingungen für ein bestimmtes Verhalten innerhalb einer Handlungskette.
In das Revier eines Männchens wurde ein Weibchen gebracht, das zwar schon einen dicken Bauch aufwies, aber dessen Eier noch nicht voll ausgereift waren. In der Natur hätte das Weibchen nicht auf das Werben reagiert und hätte sich entfernt. Letzteres ist aber in der Enge des Aquariums nicht möglich, das Weibchen kann sich dem Werben des Männchens nicht entziehen. Und nur dadurch konnte das folgende geschehen:

Stichling-Männchen fordert Weibchen zur Eiablage auf   Wegen seiner starken Balzstimmung umwarb das Männchen dieses Weibchen so ausdauernd und so heftig, dass das Weibchen trotzdem dem Männchen ins Nest folgte. Obwohl das Männ-chen wiederholt mit der Schnauze das Signal zur Eiablage gab, reagierte das Weibchen nicht.

Die unausgereiften Eier konnte das Weibchen nicht ablegen und verließ dewegen auch nicht das Nest. Nach langandauernden vergeblichen Bemühungen versuchte das Männchen das Weibchen zum Schluss durch Bissattacken zum Verlassen des Nestes zu veranlassen.   Stichling-Männchen versucht Weibchen zu vertreiben

Männchen schlüpft zu Weibchen ins Nest   Nach häufiger Wiederholung sowohl des Schnauzen-tremolos als auch der Attacken - ungefähr nach einer halben Stunde -, bohrte sich das Männchen letztendlich neben demWeibchen ins Nest und gab wohl Spermien ab, obwohl keine Eier vorhanden waren.

Erst wenn das Weibchen die Eier abgelegt hat, kann es fortfahren in der Handlung und das Nest verlassen.
Auch das Absamen des Männchens wird nicht durch den Anblick von Eiern ausgelöst, sondern erfolgt als letzter Teil der Balz. Dieses Element ist aber notwendig, um die Handlungskette der Balz zu beenden.

Merkmale von Reaktionsketten ( = Handlungsketten ) werden an diesem beobachteten Beispiel deutlich:
Die einzelnen Verhaltenselemente kommen in einer bestimmten Reihenfolge vor. Das Konzept ist genetisch festgelegt und dadurch nicht beliebig und nicht bei jedem Individuum anders. Trotzdem ist die Reihenfolge nicht vollständig starr, bestimmte geringe Variationen sind möglicht. Je nach den jeweiligen motivierenden oder den auslösenden Bedingungen können einzelne Elemente wiederholt oder auch andere übersprungen werden. Andere können ganz ausfallen, weil die dazu nötige Motivation fehlt. Möglich ist dieses gerade dann, wenn die sexuelle Motivation der beiden Partner zu unterschiedlich ist und nicht durch Wiederholungen einzelner Elemente synchronisiert werden kann.




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