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Epiphytische Orchidee (Dendrobium spec. = Rock Orchid)
Epiphytische Orchidee (Dendrobium spec. = Rock Orchid oder King Orchid) im Paluma NP

Epiphyten (Aufsitzerpflanzen) im Regenwald - ein Leben von Luft und Liebe?

In einem (sub-)tropischen Regenwald erreichen nur ca. 1-3% des Sonnenlichtes den Boden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diesen Nachteil zu meistern bzw. zu umgehen.

Eine Möglichkeit haben die Epiphyten (Aufsitzerpflanzen) entwickelt. Sie siedeln hoch im Kronendach der Urwaldbäume und haben dort ihren "Platz an der Sonne" gefunden. Dabei nutzen sie nicht den Saft- und Wasserstrom des Wirtsbaumes, dessen Äste und Astgabeln dienen ihnen nur als Unterlage zum Wachsen. Sie sind also keine Parasiten.
Vertreter aus der Familie der Orchideen, der Bromelien, der Aronstabgewächse, der Farne und der Moose und Flechten gehören dazu. Aber so einfach ist das Leben und Gedeihen dort oben nicht. Es bedarf einiger Problemlöungen bzw. Anpassungen.

Ihre Sporen (Farne) bzw. Samen (Blütenpflanzen) können nur durch den Wind bzw. durch Früchte fressende Tiere (Vögel, kletternde Säuger) in das oberste Stockwerk des Regenwaldes gebracht werden. Sie können dort keimen, wenn sie auf kleine Humusmengen fallen, die sich in Astgabeln etc. angesammelt haben. Aber diese Menge reicht nicht aus, um auf lange Zeit die Versorgung der wachsenden Pflanze mit Wasser und Nährstoffen zu gewährleisten.

Auch in den Baumkronen ist das Licht nur begrenzt vorhanden. Häufig werden die Epiphyten durch das Kronendach der Bäume abgeschattet, nur manchmal bekommen sie durch wandernde Lichtflecke direkte Sonne ab (siehe Fotos in der Mitte). Deswegen bilden sie großflächige Blätter, die nur ein dünnes Chrorophyll enthaltendes Parenchym besitzen. (Ein dickes würde nur Bau- und Unterhaltungskosten verursachen, ohne mehr zu leisten.)

Die wichtigste Grundlage sind regelmäßig auftretenden Regenfälle. Nur dort, wo diese auftreten, in Regen- und besonders in Bergregenwäldern, können Epiphyten wachsen. Da Regenwasser an vielen Standorten zwar reichlich, aber nicht ständig zur Verfügung steht, bilden die Pflanzen Wasserspeichergewebe aus. In vielen Fällen liegt dieses in den Blättern, die dadurch dickfleischig werden. Manchmal dienen dazu Stengelabschnitte, die dick anschwellen (siehe Foto oben).

Die Luftfeuchtigkeit ist hoch, so dass die Blätter nur wenig Wasser verdunsten. Deswegen ist kein Verdunstungsschutz nötig, so dass sich auch die große Oberfläche der Blätter nicht negativ auswirkt.

Regen ist nicht chemisch reines Wasser, er wäscht die Mineralien, die im Staub enthalten sind, aus der Luft und von den Bäumen. So enthält er geringe Mengen an Phosphor-, Calcium- und Kaliumverbindungen. Alles Mineralsalze, die für das Pflanzenwachstum unabdingbar sind.
Aber was ist mit dem Stickstoff? Die Luft enthält große Mengen an elementaren Stickstoff, nur den können die Pflanzen nicht verwenden. Aber durch Blitzschläge reagiert der Luftstickstoff zu Stickstoffdioxid, das sich dann im Regenwasser lösen und dann von den Pflanzen verwertet werden kann.

Nun muss man zubilligen, dass die so von den Epiphyten gewonnenen Mineralsalzmengen nicht gerade beeindruckend sind, weswegen sie nur langsam wachsen können. Aber sie haben sich an eine ökologische Nische angepasst, in der die Konkurrenz nur gering ist. Dagegen ist an optimalen Standorten, an denen Wasser, Licht und Mineralsalze reichlich vorhanden sind, der Konkurrenzdruck immens hoch, dem sie durch Wechsel ins Kronendach der Bäume ausgewichen sind.
Probleme bekommen die Epiphyten nur, wenn ihre Kolonie zu groß und zu schwer wird. Dann bricht der Ast und die Pflanzen stürzen auf den lichtarmen Boden, wo sie nicht überleben können.

Lamington NP, Bird's Nest Fern (Asplenium australasicum) und Staghorn Fern (Platycerium superbum)
Lamington NP, Bird's Nest Fern (Asplenium australasicum) und Staghorn Fern (Platycerium superbum)

Anpassungen bei den epiphytisch lebenden Farnen:

Farne, die sich selbst einen Blumentopf bauen.
Epiphyten unter den Farnen bilden trichterförmige Rosetten aus steifen schnell braun werdenden Blättern (Nischenblätter): Bird´s Nest Fern = Asplenium australasicum und perfekter Staghorn Fern = Platycerium superbum (Bild unten). Herabfallende Blätter und Kleinstinsekten werden damit aufgefangen. Durch Mikroorganismen werden diese zu Humus abgebaut und zur Mineralienquelle . Die schwammartigen Wurzeln wachsen in diesen Trichter hinein und halten den Humus fest. Letzterer kann für eine begrenzte Zeit etwa Wasser und Mineralsalze speichern.
Die grünen Laubblätter ragen in die Luft und dienen der Photosynthese.

Pyrossia, ein epiphytisch lebender Farn
Dorrigo NP: der epiphytische Farn Pyrrosia spec., rechts mit Sporangien tragenden Blättern

Pyrrosia spec. :
ein Farn mit speziellen Anpassungen an die epiphytische Lebensweise:

Man sieht dieser kleinen epiphytisch lebende Pflanze (links im Bild) nicht sofort an, in welche systematische Gruppe man sie einordnen soll.
Erst bei der Pflanze im rechten Bild ist es erkennbar: Ein dünnes, verzweigtes kriechendes oder kletterndes Rhizom befindet sich auf einem Felsen. Zwei Blatttypen sind vorhanden. Die "normalen" Blätter sind rundlich, dickfleischig und grün. Sie dienen einmal der Photosnthese und dann speichern sie Wasser. Letzteres ist bei allen Epiphyten wichtig, da immer wieder Zeiten vorkommen, in denen kein Regen fällt. Die länglichen Blätter dagegen zeigen auf der Unterseite bräunliche Flecken. Es sind die sogenannten Sporangien, in denen die Sporen sich entwickeln. Diese Blätter können assimilieren, entwickeln aber auch die Sporen, die der Fortpflanzung dienen.
Das ist ein typisches Merkmal von Farnen. Es ist ein epiphytisch lebender Farn der Gattung Pyrrosia, der "tolle" Anpassungen an seine Lebensweise hat.

Verringerung der Transpiration durch den CAM-Stoffwechsel:

Alle Pflanzen befinden sich im folgenden Dilemma, das sie irgendwie lösen müssen.
Die Blätter sind gegen Wasserverluste (Transpiration) weitgehend geschützt durch den Bau ihrer Epidermis (=Haut der Pflanzen).
Für ihre Assimilation müssen die Blätter Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen. Das geschieht durch Öffnungen in der Epidermis, den sogenannten Spaltöffnungen (=Stomata). Gleichzeitig verlieren sie aber eben durch diese auch Wasser (stomatäre Transpiration). Wenn die Luftfeuchtigkeit gering ist, können sie sogar so viel Wasser verlieren, dass sie die Stomata schließen müssen, um nicht zu vertrocknen. In diesem Fall können sie aber nicht mehr assimilieren, weil sie kein Kohlendioxid mehr erhalten. Durch die Assimilation gewinnen sie energiereiche Stoffe (Glucose), die sie zur Gewinnung von Energie veratmen.
In solch einem Fall haben sie im Extrem die Wahl, zu vertrocknen oder zu "verhungern".

Diese Problematik ist bei Pflanzen aus ariden Zonen und auch bei Epiphyten besonders hoch, weil ihr Wassernachschub gering oder zeitweise ganz unterbrochen ist.

Diesem Dilemma entkommen sie durch einen ganz besonderen Trick ihres Stoffwechsels: den CAM-Stoffwechsel (=Crassulaceen-Säurestoffwechsel oder C4-Stoffwechsel)

Nachts wenn die relative Luftfeuchtigkeit auf Grund der geringeren Temperaturen hoch ist, nehmen sie durch die Spaltöffnungen Kohlendioxid auf und binden es an ein bestimmtes Molekül, ein Akzeptor-Molekül. Kohlendioxid wird praktisch so zwischengelagert.
Tags können sie die Spaltöffnungen weitgehend geschlossen halten. Für die Assimilation benutzen sie das Kohlendioxid, das sie nachts an ein bestimmtes Molekül gebunden haben. Zugleich benötigen sie Licht, es ist ja genügend vorhanden, um einmal assimilieren zu können, aber auch um das Akzeptor-Moleküle wieder herstellen zu können, das sie zur nächtlichen Bindung des Kohlendioxids benötigen.

Durch diesen veränderten Stoffwechsel reduzieren sie auch die stomatäre Transpiration, sie sparen somit viel Wasser, was ja nötig ist, da dieses nicht ständig in ausreichenden Mengen vorhanden ist und ihr Wasserspeicher in den Blättern nur eine begrenzte Kapazität hat.
Ob noch weitere Epiphyten mit diesem CAM-Stoffwechsel arbeiten ist noch nicht geklärt

Siehe auch die Seiten: Ökologie des Regenwaldes, Artenvielfalt und Divergenz im Regenwald, Brettwurzeln und Stammblütigkeit, Würgefeige, Lianen, Rotangpalme, Fächerpalmen, Baumfarne

Lamington NP: Geweihfarn (Elkhorn Fern = Platycerium bifurcatum)
Lamington NP: Geweihfarn (Elkhorn Fern = Platycerium bifurcatum)